Wieso braucht es eigentlich alte Häuser?

Liebhaberei, Wissenschaft, oder?

Wie alles begann
Am Anfang stellt sich die Frage, wann und wieso entstand überhaupt das Bedürfnis, alte Häuser, in denen niemand mehr wohnen möchte, zu „retten“ und sie in ein Museum zu übertragen?

Im 19. Jahrhundert kam im Zuge der Industrialisierung europaweit die sogenannte „Heimatschutzbewegung“ auf. Es waren die ersten Bemühungen, die ländliche Kultur, die sich durch die Mechanisierung stark veränderte, zu erhalten. Man interpretierte sie mit städtischem Blick und einer gewissen Nostalgie. Dazu gehörte neben der Sprache, den Bräuchen oder der Kleidung auch die bäuerliche Volksarchitektur. So war das 1881 gegründete schwedische Freilichtmuseum Skansen in Stockholm der Ausgangspunkt für alle anderen europäischen Freilichtmuseen.

In Österreich wurden ab den 1950er Jahren in allen Bundesländern größere und kleinere Freilichtmuseen oder Denkmalhöfe gegründet. Man versuchte damals, das „typische“ bäuerliche Bauen, Wohnen und Wirtschaften für eine Region zu zeigen. Die Gründergeneration, durchaus auch noch von der nationalsozialistischen Ideologie zur Aufwertung des Bauernstandes geprägt, entschied, was typisch war. Sie leistete aber in einer Zeit, in der Jahrhunderte alte Bauten neuen weichen mussten, einen unwiederbringlichen Beitrag dazu,  die Lebenswelt ihrer Vorfahren für die zukünftigen Generationen zu erhalten. Heute gibt es z. B. nur noch ganz wenige im Blockbau gezimmerte Wohnhäuser. Brechelbäder sind fast ganz vergessen, ebenso Krautsölden. Vieles wäre ohne Freilichtmuseen einfach weg aus dem Gedächtnis und es würde heute einiges fehlen, um die Gegenwart zu verstehen.

Das Landleben früher: pure Idylle?
Die Häuser wurden über viele Jahre möglichst authentisch eingerichtet, als ob die Bauersleute einfach im Moment nicht da wären. Durch diese ganzheitliche Darstellungsweise im Museum entsteht jedoch oft eine verklärte, vermeintliche Idylle, die kritisch hinterfragt werden muss. Es ist viel zu sauber und zu schön. Inspiriert durch Magazine wie Landlust und Servus wird das Museum für viele Besucher*innen Projektionsfläche für Sehnsüchte nach einer überschaubaren Welt und naturnahen Lebensweise. So kommt immer wieder der Wunsch nach üppigen Balkonblumen, die es aber zur Darstellungszeit der Häuser in den Museen meistens nicht gab. Oder der Wunsch nach Bauernhoftieren, deren Art der Haltung um 1900 heute eigentlich niemand mehr sehen möchte (und die auch nicht mehr erlaubt wäre). Dass in den Häusern einst das Wasser täglich ins Haus getragen werden musste, vielfach nur ein Raum beheizbar und es im Winter ab 16 Uhr stockdunkel war, mehrere Menschen sich einen Raum oder gar ein Bett teilen mussten, der Rauch im Haus, die knapp werdenden Lebensmittel im Frühjahr oder das Leid der wegen Armut ausgestifteten Kinder usw. Das sieht man alles im Freilichtmuseum nicht und kann nur durch Ausstellungen oder andere Vermittlungsangebote erklärt werden. In den 1980er Jahren gab es zu dieser Darstellungsproblematik heftige Kritik von Historikern der Universitäten, die im Zusammenhang mit Freilichtmuseen von Geschichtsfälschung sprachen. Diese Diskussion trug aber in allen Freilichtmuseen zu einer wichtigen Sensibilisierung im Umgang mit musealisierten Häusern bei. Es wurde eine ICOM-Deklaration (International Council of Museums) formuliert, die besagt, dass Freilichtmuseen wissenschaftlich geführt sein müssen.

Gratwanderung als Herausforderung - auch im Salzburger Freilichtmuseum
Gerade das Abwägen zwischen wissenschaftlicher Dokumentation der Gebäude, möglichst objektiver Geschichtsvermittlung aber auch dem Bedürfnis der Besucher nach Erlebnis und Idylle ist eine große Herausforderung, die nie langweilig wird und viel Kreativität erfordert. Aktionen und Veranstaltungen sollen in das Konzept des Museums integriert werden und mit dessen Leitbild vereinbar sein. Die Museumsbahn beispielsweise dient im 50 ha großen Gelände als Transportmittel mit Spaßfaktor, sie ordnet sich aber dem Inhalt unter. Die Schatteninszenierungen bieten Erlebnis, informieren aber auch über manchmal schwere Zeiten im jeweiligen Haus. Ziel ist, noch viele weitere Ideen umzusetzen um die alten Häuser noch mehr „zum Sprechen“ zu bringen!

 

Bildlegenden:
links: 1970iger Jahre | Kurt Conrad, Museumsgründer und Friederike Prodinger, Direktorin des damaligen Salzburger Museum Carolino Augusteum suchen einen geeigneten Platz für ein Salzburger Freilichtmuseum.
Mitte: 1983 | Abtragung des Waagerstalls in Mittersill
rechts: 1984 | Eröffnung des Salzburger Freilichtmuseum mit (von links): Kurt Conrad, Museumsgründer, Rudolf Kirchschläger, Bundespräsident und Josef Reschen, Bürgermeister der Stadt Salzburg

 

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