Wieso braucht es eigentlich alte Häuser? Teil I

Der etwas andere Blick hinter die Kulissen

Unser Museumsgründer Kurt Conrad wollte „typische“ Zeugen bäuerlicher Volksarchitektur aus Salzburg hier im Freilichtmuseum zeigen und sie für die Nachwelt bewahren. Dabei war für ihn eine Eingliederung in die Salzburger Hauslandschaften mit deren Bauweisen vorrangig.

In seinem Konzept steht jedes Haus im Freilichtmuseum für einen bestimmten Teil der Salzburger Kulturgeschichte. Das Rauchhaus Eder zeigt beispielsweise die spätmittelalterliche Form des Flachgauer Einhofes, der Pinzgauer Paarhof wie der Pongauer Paarhof zeigen die Anpassung an eine weitgehend autarke Lebensweise am Steilhang. Der Knotzingerhof ist Zeuge für den Übergang zur Innviertler Hauslandschaft…

Für die Untersuchung sozial- oder wirtschaftsgeschichtlicher Fragestellungen fehlte ihm damals in den Anfangsjahren jedoch die Zeit. Seit den 1980er Jahren beschäftigt sich auch die Geschichtswissenschaft vermehrt mit Regionalgeschichte und die Forschungsmethoden und die Ansätze sind in den letzten Jahrzehnten vielfältiger geworden.

Heute – über 40 Jahre nach Conrads Anfängen – wollen wir natürlich noch immer mittlerweile bereits verschwundene Bauweisen und Gebäude, deren Funktionen heute nicht mehr gebraucht werden oder veraltet sind, zeigen. Ob Brechelbad, Dörrhäusl, Heustadel oder im Blockbau gezimmerter Bauernhof - durch die Betrachtung der geschichtlichen Entwicklung lernt man die Gegenwart besser verstehen und so ist es uns ein Anliegen Wissen über das vorindustrielle Bauen, Wohnen und Wirtschaften zu bewahren und weiterzugeben.

Gerade in Zeiten von Blackoutgefahr oder Klimaschutz und Nachhaltigkeit kann ich sagen, alle unsere Häuser funktionieren auch bei Blackout und die Natur würde sie in ein paar Jahrzehnten selbst recyceln, bis Mitte des 20. Jahrhunderts brauchte man zudem keine Müllentsorgung. Voll im Trend, oder? Trotzdem möchte ich keinesfalls mehr in einem Haus ohne Heizung, Sanitäreinrichtung und mit zugigen Wänden leben und meine Nahrungsmittel ausschließlich selbst produzieren und für den Winter konservieren müssen. Das Wissen, um das enge Zusammenleben mit der umliegenden Natur, mit deren Ressourcen man auskommen musste, ist aber trotzdem hochinteressant und teilweise auch wieder zeitgemäß. Es sollte uns für den heutigen Umgang mit der Natur sensibilisieren. Und wenn mal ein Kind fragt, ob es die Zentralheizung, dreifach verglaste Fenster und den Strom schon immer gab, soll es Antworten darauf geben, wie man bis vor 100 Jahren sein Leben ohne schaffte…

Als besonderes Beispiel einer Hausdokumentation möchte ich die Rainerkeusche aus dem Lungau nennen, die wir noch vor Ort dokumentieren und abtragen konnten. Sie war von 1482 bis 1987 durchgehend bewohnt. 2017/18 ist sie aus Ramingstein ins Freilichtmuseum gezogen und steht hier als Zeugnis für die vielen Lungauer Keuschen (Kleinstbauernhäuser) und ihre Bewohner. Das Leben der Bewohner hat die Bausubstanz des Hauses geprägt und – wenn auch nicht viel – verändert. Umbauten sind stets Anpassung an veränderte Lebensumstände wie Komfort, mehr Licht oder Hygiene. Diese erforschten Veränderungen an der Bausubstanz in einen zeitlichen Kontext zu betten ist für mich besonders spannend.

Die Rainerkeusche wurde durch ein interdisziplinäres Forschungsprojekt dokumentiert. Ob Bestimmung des Alters durch eine Dendrochronologische Untersuchung, Archivforschung, Oral History, Baugefügeforschung, Erfahrungswissen der Museumshandwerker oder archäologische Untersuchungen – es mussten alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden um die Veränderungen zu dokumentieren. Und das ist manchmal spannend wie ein Krimi! Und zwar nicht nur für die Museumsmitarbeiter*innen, sondern auch für die ehemaligen Besitzer*innen.

So gibt es im Freilichtmuseum eine Menge Arbeit, bevor ein gesicherter Darstellungszeitpunkt eines zu errichtenden Hauses festgelegt werden kann. Schließlich müssen ja die Fenster und Türen, Dachdeckung etc. aber auch die dargestellten Raumfunktionen zeitlich zusammenpassen. Die wissenschaftliche Dokumentation ist die Basis dafür, Geschichte möglichst objektiv zu vermitteln, und das möchten wir ja für unsere Besucher*innen.

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