Fassaden und Balkone im Salzburger Freilichtmuseum
Was erwarten Sie, wenn Sie das Salzburger Freilichtmuseum besuchen? Alte Häuser vermutlich, dazu Ställe und Tennen, Arbeitsgeräte aus der Landwirtschaft und für den Haushalt. Zum Hof gehört der Garten, zur Fassade Blumen – das ist doch klar.
Tatsächlich? Ist es nicht vielmehr so, dass wir unsere heutige Sichtweise auf die Vergangenheit projizieren? Weil wir glauben, dass es schon immer so war?
In Zusammenhang mit der Umgestaltung unserer Hausgärten in Annäherung an die historische Wirklichkeit haben wir auch unsere Hausfassaden und deren Gestaltung näher betrachtet. Bunt zeigen sie sich im Sommer, leuchtend rote Pelargonien, vielfarbige Begonien, bunt gemischte Töpfe mit verschiedenen Pflanzen. Schön, nicht wahr? Genauso wie man sich ein Bauernhaus vorstellt, oder? Wie wir uns heute vorstellen, wie sich ländlich-bäuerliches Leben abgespielt hat…
Die Realität war eine gänzlich andere! Der Garten diente zusammen mit den Äckern, auf denen die Feldfrüchte wuchsen, der Versorgung des Hauses und aller Bewohner*innen. Praktische Absichten standen im Vordergrund. Wenn eine Gemüsepflanze oder ein Gewürzkraut auch hübsch anzusehen war – umso besser! Zierpflanzen im Hausgarten sah man, aber nicht in der Vielfalt, wie wir uns heute den „typischen Bauerngarten“ denken. Typisch gab es nicht, weder im Garten, noch am Haus. Das Haus war ein komplexes Gefüge. Wohnen, Arbeiten, Wirtschaften spielten sich unter seinem Dach ab. Mit der Betonung auf Funktion. Der Balkon war der „Gang“, auch Laubgang genannt. Er diente nicht dem Müßiggang, hier wurde Laub getrocknet. Laub war Tierfutter oder Einstreu im Stall. An Trockenstangen wurde nicht nur Wäsche aufgehängt. Es fanden sich Säcke mit Federn, Saatkörbe oder Ernteerzeugnisse und Arbeitsgeräte. Trocknen und Lüften definierten die Nutzung der Balkone. Ihre Gestaltung unter ästhetischen Gesichtspunkten bedeutete zusätzlichen Arbeitsaufwand. Zeitraubend war schon die Arbeit im Garten, ein grüner Balkon überflüssig. Gestaltungswille zeigt sich dennoch, ob in Bauelementen wie gedrechselten Balkonstützen, Sternhaustüren oder dem Zierschrot. Oder je nach individuellen Vorstellungen, Möglichkeiten oder klimatischen Bedingungen an Pflanzen an der Hauswand. Einzelne Töpfe mit Rosmarin, einem Heilkraut, Rose oder Hängenelke standen auf dem Brennholz neben der Haustüre, auf Stellagen auf dem Balkon oder einer Fensterbank. Die Gestaltung ist nutzerspezifisch und wandelbar, eine durchgehende Bepflanzung nicht belegbar. Erkennen lässt sich in frühen Fotografien und den Berichten „gelehrter“ Reisender des 19. Jahrhunderts der Zusammenhang zwischen Blumenschmuck und Fremdenverkehr. Wenn auch in der Subjektivität der Betrachtung romantische Verklärung mitschwingt, scheinen blumengeschmückte Balkone in den von Städtern eroberten (Berg-)Regionen eher zu finden zu sein als in abgelegenen Alpentälern.
Diese Überlegungen spielen eine Rolle bei der aktuellen Betrachtung der Fassaden unserer Museumshäuser. Pragmatismus vor Ästhetik, regionale Unterschiede, individueller Gestaltungswille, Pflanzengeschichte – das Ergebnis sehen Sie heuer. Erläuterungen zu einzelnen Häusern finden Sie in loser Folge an dieser Stelle.
Wir freuen uns auf den Austausch mit Ihnen!